Flucht in die sozialen Medien

Ist die reale Welt den jungen Erwachsenen zu uninteressant?

Das generelle Weltgeschehen scheint für Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Vera Beckers nur noch bedingt interessant zu sein. Interessiert es sie einfach nicht? Haben sie kein Interesse an ihrer Zukunft? Ist der neueste Trend auf Instagram oder die neuste süchtig machende Serie wichtiger als der Plastikverbrauch der Deutschen? Sind die Schülerinnen und Schüler der Meinung, dass sie bereits das Wichtigste und Nötigste über die Welt wissen?

Die Antwort lautet: Ja!

Das zeigt eine Umfrage am Berufskolleg Vera Beckers, in der die Schülerinnen und Schüler zu ihrer Mediennutzung befragt wurden. Diese Umfrage wurde von Dezember 2018 bis Juli 2019 durchgeführt, 317 der knapp 3.000 Schüler der Schule haben daran teilgenommen.

Hauptsächlich waren es jene, die das Abitur oder Fachabitur anstreben.

Es gibt das Klischee, dass junge Menschen die neueste Instagram-Story oder die neueste Folge der beliebten Krankenhausserie Grey’s Anatomy interessanter finden, als sich über den menschengemachten Klimawandel zu informieren. Die Umfrage hat ergeben, dass das gar nicht unbedingt ein Klischee ist. Denn generell nutzen die jungen Menschen am Berufskolleg Vera Beckers eher Unterhaltungsmedien als Informationsmedien. So haben etwa 56 Prozent derer, die an der Umfrage teilgenommen haben, gar keine Zeit für Nachrichtenseiten wie etwa Spiegel Online oder Süddeutsche, und gedruckte Zeitungen und Zeitschriften lesen auch nur noch weniger als 20 Prozent. Dafür wenden sie umso mehr Zeit für soziale Medien oder Streamingdienste auf.

Und auf diese neuen Medien können viele auch nicht verzichten. Nur zwei von zehn Befragten sagen: Es geht auch ohne soziale Medien. Und wie sieht es bei Streamingdiensten aus? Nur jeder Dritte kann auf Serien und Shows beispielsweise bei Netflix verzichten. Doch fällt es vielen umso leichter, keine Nachrichtenseiten mehr anzusteuern. Denn fast 62 Prozent der Befragten könnten auf diese komplett verzichten.

Das zeigt, dass es den jungen Menschen nicht an Zeit fehlt. Sie investieren ihre Zeit nur oft lieber in Unterhaltungsmedien statt in Informationsquellen, die über unser Weltgeschehen berichten. Natürlich kann man auf Facebook oder Instagram auch Nachrichten lesen und in der Umfrage sagen viele denn auch, dass sie Medien generell auch für Nachrichten nutzen. Dass Medien der Unterhaltung dienen wird aber viel häufiger und von fast allen genannt.

Im Gegensatz dazu wird ein Klischee nicht bestätigt: Mädchen informieren sich in den Medien nicht häufiger als Jungen. 66 Prozent der befragten Schülerinnen nutzen Medien  generell auch, um Nachrichten zu lesen, zu hören oder anzuschauen. Bei den Schülern sind es sogar 72 Prozent.

Allerdings wird in der Umfrage auch ein Widerspruch besonders deutlich: Die jungen Menschen sind der Meinung, dass sie ausreichend über unser Weltgeschehen informiert sind. Auf die Frage, wie sehr sie informiert sind, antworten fast alle mit mittel bis ausreichend. Wie wichtig das Weltgeschehen jedoch für sie ist, variiert je nach Thema. Nur knapp ein Drittel der Befragten empfindet es generell als wichtig, über das Weltgeschehen informiert zu sein.

Da stellt sich die Frage: Inwiefern ist man denn ausreichend informiert, wenn man sich fast nur auf Webseiten wie Instagram oder Netflix bewegt? Werden Nachrichtenseiten bei Facebook überhaupt angeklickt? Das konnte in dieser Umfrage nicht geklärt werden.

Nini Pham