Gegen das Vergessen – Jugendliche reisen nach Auschwitz

„Wenn all diese Dinge verleugnet werden, dann sind sie dazu verdammt, erneut zu geschehen.“

Der Satz einer Schülerin des Berufskollegs Vera Beckers, er wirkt nach. Genauso wie der Tag, an dem die Zwölftklässlerin ihn aufgeschrieben hat: Ein Montag Ende August, an dem sie mit 22 weiteren Schülerinnen und Schülern des Beruflichen Gymnasiums das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz besichtigt hat.

Sechs Tage lang waren die Jugendlichen mit ihren Lehrkräften in Polen unterwegs. Sie haben in Auschwitz gesehen, wie die Nazis vor mehr als 80 Jahren, Juden, Sinti und Roma oder auch Oppositionelle in Lagern inhaftiert, zur Arbeit gezwungen oder   in den Tod geschickt haben. Sie haben in Krakau erfahren, unter welch menschenunwürdigen Bedingungen Juden im Ghetto leben mussten und später deportiert wurden. Sie lernten aber auch Menschen kennen, die Hoffnung verbreiteten, die Leben retten konnten. Bekannte Namen wie der deutsche Fabrikant Oskar Schindler, aber auch jene, die viele nicht (mehr) kennen wie Tadeusz Pankiewicz, der mit seiner Apotheke im Krakauer Ghetto heimlich half.

Geschichte und Geschichten haben die Zwölftklässler an sich herangelassen, selbst das Hostel in Krakau zeugte von der Terrorherrschaft: Es beherbergte einst das Hauptquartier der Gestapo, der politischen Polizei des deutschen NS-Regimes in der Stadt.

Die Jugendlichen haben aber auch die Gegenwart erlebt: Sie entdeckten das angesagte „jüdische Viertel“ Kazimierz in Krakau oder nahmen in der Synagoge in Oświęcim Platz – jener Stadt, die unter ihrem deutschen Namen Auschwitz zum Ort und Symbol der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie wurde. Weit mehr als eine Million Menschen haben die Nazis in den Lagern in Auschwitz getötet, eine schier unvorstellbare Zahl, die vor Ort greifbarer wurde: Etwa anhand der Fotos von Häftlingen im früheren Stammlager, das heute ein Museum ist. Oder den Kritzeleien von inhaftierten Kindern an den Wänden einer Baracke des Lagers Auschwitz-Birkenau. Diese Zeichnungen gingen vielen Jugendlichen besonders nah. „Man hat die Gefangenen als Menschen kennengelernt und nicht als Zahl“, sagt ein Jugendlicher.

Die Schülerinnen und Schüler haben auch erfahren, wie die Menschen im Umfeld der Lager gelebt haben, wie etliche versucht haben, den Inhaftierten mit Essen, Medikamenten oder Nachrichten zu helfen.  Und sie haben sich damit auseinandergesetzt, wie die unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager den Opfern zugesetzt, was Hunger und Einsamkeit, aber auch Solidarität und Courage für sie bedeutet haben. Ein „Alltag in der Hölle“ nannte es eine Schülerin. Ein anderer hat ergänzt: „Ich hätte niemals erwartet, wie groß und brutal das Lager wirklich war.“

Mit ein paar Tagen Abstand haben sich die Jugendlichen die Frage gestellt, ob sie ihren Freunden raten würde, auch selbst einmal nach Auschwitz zu fahren. Für sie ist klar: Auf jeden Fall. Eine Schülerin begründet das so: „Alles was man bis jetzt auf Bildern, in Dokus oder Büchern lesen oder sehen konnte, kommt nicht ansatzweise an die Erfahrung heran, dort vor Ort zu sein.“

Unterstützt wurde die Studienfahrt von der privaten Sanddorf-Stiftung.